Nach und nach schreibe ich wieder über meine Reise nach Nepal, immer kurz, damit es nicht langweilig wird. Es waren nur drei Wochen und ich konnte wegen der Monsun-Straßenschäden nicht zu unseren Schulen fahren. Aber Uma kam am Schluss mit Utsav nach Kathmandu. Und ich hatte so endlich die Zeit, auch jene Kinder zu treffen, die wir in Pokhara und an der Grenze nach Indien unterstützen.
Trotz der Kürze war alles sehr interessant. Am Ende saß ich in Kathmandu in einem kleinen Imbiss, neben mir ein offenes Fenster. Da dachte ich: So war diese Reise – als ob ich in das offene Fenster eines Hauses geblickt hätte. Ich sah viel von Nepal.
1. Der Flug
Es beginnt mit einer großen Erleichterung am Flughafen in Frankfurt. Denn dort haben die Herren beim Einchequen problemlos meine zwei Koffer mit den vier Computern von Dr. Bulst angenommen. Ich bin so erleichtert. Kein Aufhebens wegen der Lithium-Knopfzelle drin, weil ja alle Lithium-Akkus verboten sind.
Ich hatte die Computer dicht in Zeitungspapier gepackt. Avis und Sunita stopften noch alte Klamotten dazu, zum Abfedern. Aber bei der Ankunft war alles zerschmissen: Die Koffer waren so herumgeworfen, dass die Computer wie lose fliegend drin herumlagen.
Uma freute sich dann später sehr über die Bildschirme. Sie hatten wegen ihres Gewichts bei einem der Koffer die Balance verbogen. Er rollte nicht mehr richtig und machte Zuckungen. Aber ich bog das mit Gewalt zurück.
Uma rief sofort den Rektor im fernen Maidane an, ob er Tastaturen hat. Hatte er nicht. Also zum Computershop. Dort gab es sie, inklusive Maus, für sage und schreibe 4 Euro. Ich weiß nicht, wie das geht. Wie man für 3 Euro eine große Tastatur herstellen kann und für einen Euro eine Maus. Aber wahrscheinlich ist es „Made in China“. Wozu die Nepali ein Sprichwort haben: „Kaufst du ein chinesisches Gerät, hast du es am einen Tag und am andern nicht.“ Weil kaputt.
Jetzt habe ich im Flugzeug einen interessanten Sitznachbarn, Miguel de Matos. Er kommt ganz lachend an, vielleicht 60, mit ein bisschen Bauch und grauen Haaren. Er vertreibt die indische Frau von seiner Sitznummer und sagt: „Ich bin aus Portugal. Ich fliege nach Indien. Das ist das erste Mal, dass ich nach Indien fliege.“
Das Gespräch mit ihm hätte man aufnehmen sollen. Er ist Wirtschaftsberater in Porto, nördlich von Lissabon. Und geschieden. Reiche Frau, ein Kind. Jetzt nahm er einmal einen jungen Inder als Untermieter. Mit ihm verstand er sich sehr gut. Deshalb kommt plötzlich ein Anruf aus Indien: Hochzeit, ob er nicht teilnimmt? „Am Mittwoch war der Anruf, am Donnerstag hab ich nachgedacht, am Freitag Ja gesagt und am Samstag den Flug gebucht.“ Jetzt ist Sonntag.
Seine fünf Mitarbeiter schaffen es auch ohne ihn, Firmen zu vernetzen. Denn das ist Miguels Geschäftsidee: Er nennt seinen Kunden andere Firmen, die ihnen bei der Produktion helfen.
Daneben ist er Schachspieler, seit er fünf Jahre alt ist. Schach trainiert das Gehirn, sagt er. Und ein kluges Gehirn lässt sich nicht von Politikern einlullen. Darum hat Miguel einen Verein gegründet, der eine Stiftung werden soll. Dieser Verein verteilt Schachbrett-Tische an Schulen. „Du hilfst in den Bergen des Himalaya? An wie vielen Schulen? Ich schicke je zwei Schachtische hin. Die stellt ihr irgendwo ins Eck, ohne Aufsicht, und lasst die Kinder spielen. Sie müssen klug werden. Nicht alles glauben, selbst denken. Das ist mein kleiner Beitrag für die Welt. Wenn ich mal sterbe, dann hab ich was für die Welt getan.“
Warum ist er so motiviert? Weil er ein Buch geschrieben hat: „Sei frei. Werde ein freier Unternehmer.“ Um es in Brasilien zu veröffentlichen, flog er hin. Er traf dort zufällig auf spiritistische alte Frauen, die ihm zwei Vorleben nannten: Einmal war er ein Kardinal, der jeden um die Ecke brachte, der anderer Meinung war. Dann war er ein Desperado mit Schiff, der auf eigene Faust Welthandel betrieb.
Diese Leben lösen jetzt, als Ausgleich, wahrscheinlich sein positives Handeln aus. „Wir sollten nicht so mit Effizienz arbeiten. Schau dir Europa an. Nach dem Krieg ging alles hoch und dann durch wilden Kapitalismus wieder runter.“
Am Schluss lacht er: „Ich schreib´ auch Gedichte und bin Philosoph. Mein zweites Buch geht übers Universum, über Gott. Wir müssen erkennen: Wir sind alle zusammen der Schöpfer. Jeder hat da eine Aufgabe, eine Mission: Dieses Leben durchführen. Und wir müssen bescheiden sein. Ich hab auch Autos gehabt – hab ich alles weg. Weil nur wichtig ist: Ich bin. Den Rest kann man weglassen.“
Er erzählt noch von den Brasilianierinnen, mit welch schönem Klang sie das Portugiesische sprechen – und sagt dann auf Wiedersehen. Er wird abgeholt in Neu-Delhi zur Hochzeitsfeier 500 Kilometer im Norden. Dann geht es noch nach Dharamsala im Vorhimalaya, nach Kaschmir und zur Hippie-Halbinsel Goa im Süden.
Sein Buch gibt es bald auf Englisch. Vielleicht auch gut für die Kinder unserer Schulen.
2. Kathmandu
Es ist eine erlebnisreiche Reise, bis dahin, dass ich fast von einem kleinen Elefanten gegessen werde. Und sie beginnt in Kathmandu mit dem Taxi-Fahrer am Flughafen, der von 500 Toten spricht, die der übermäßige Monsunregen gekostet hat. Uma sagt später, es sind 200.
Uma und Utsav haben mir abgeraten, nach Okhaldhunga zu kommen, weil die Straße an zehn Stellen zerstört ist. Sie wagen aber später selbst diese Reise und Utsav sagt: „Es war schlimmer als letztes Jahr unsere Fahrt von Patle herunter.“ Damals setzte der Jeep oft am Boden auf, weil die Furchen so wild ausgewaschen waren.
Jetzt muss ihr Jeep im Fluss fahren, weil die Uferstraße in Blocks zerbrochen da liegt. Utsav zeigt Bilder von Häusern, die wie hingeworfene Schuhschachteln in den Fluten liegen. Den ganzen nächsten Tag über malt er sich ängstlich die Rückfahrt aus, ob sie gut geht. Sie geht gut: Um vier Uhr los und um 16 Uhr Ankunft. Sie haben extra einen Sitz dazu gebucht für die Computer. Alle vier PC´s kommen heil an.
Uma und Utsav ziehen sich am Morgen unseres gemeinsamen Tages erst einmal bestens an, ich auch, um zur deutschen Botschaft zu gehen und nach ihrem Visumsantrag vom Juli zu fragen. Die Frau am Empfang wünscht lange dies und das, um schließlich in einem dicken Buch den Eintrag zu finden, wann Uma das letzte Mal da war. Dann kommt ein Zettel durch die Scheibe: Uma soll ihre Anfrage per Mail schicken. Dann kriegt sie eine Mailantwort.
Danach setzen wir uns im „Souvenir Guesthouse“, meinem schönen kleinen Hotel, unter dem Baum zusammen, um über „Kinder von Nepal“ und unsere Hilfe im nächsten Jahr zu sprechen. Uma hatte Werner im Laufe dieses Jahres schon viele arme Kinder nachgemeldet, so dass es jetzt 160 sind. Werner hatte aber durchgerechnet: Wenn es bei 130 Euro pro Kind bleibt, sind das über 19 000 Euro. Und die Lehrergehälter (20 000) dazu – kaum zu schaffen. Danach sind wir blank.
Aber für Uma ist es schwer, das zu verstehen. Sie hat noch mehr Kinder auf ihrer Liste: Die große LGS-Schule in Okhaldhunga bat sie dringend, sich für weitere sieben sehr arme Schüler einzusetzen. Und diese Schule bräuchte im Grundschulbereich einen Lehrer dazu.
Die Schule in Jhamire meldete zwei Kinder zusätzlich (eines der Kinder hat Herzprobleme und sein Vater trinkt); die Schule in Thade ein Kind. In Bagam sind es fünf Zugänge. Die JMS-Schule hofft auf Unterstützung für einen hinkenden Jungen, dessen Vater blind ist und die Mutter waise.
In Maidane sollten wir dem von uns bezahlten neuen Sportlehrer etwas mehr Gehalt geben, weil er auch „Gesundheit“ unterrichtet. Auch die andere KvN-Lehrerin bräuchte mehr Lohn. In Bagam wäre es ein Lehrer, der etwas mehr bräuchte.
In Maidane sind die Grundschullehrer frustriert, weil sie in den obersten Klassen eingesetzt werden – aber von der Regierung nicht das entsprechende Gehalt bekommen. Das Government lässt diese „higher secondary“-Stufe unbeachtet.
Ich sage, wir sparen jetzt so: Alle Kinder, die im ersten KvN-Jahr neue Schulkleidung bekamen, brauchen das im nächsten und dritten Jahr nicht wieder. Sie kommen mit weniger Unterrstützung zurecht.
Kinder, die aus Sherpa-Familien kommen (wo die Väter oft trinken), bekommen Reissäcke. Damit ist ihr Essen gesichert.
Und Uma sieht sich jedes Schicksal genau an, um zu entscheiden, wo wie viel nötig ist.
Werner fliegt morgen nach Nepal und bespricht – nach seiner Wanderung im Umland von Okhaldhunga – mit Uma und Utsav noch einmal alles.
Utsav ist bei meinem Gespräch so ein guter Junge, so ein guter Charakter. Es hat mich richtig gerissen: Ich muss genauso sein, kommt mir blitzartig.
2. Entenrettung
Am Flughafen riecht man beim Rausgehen sofort Kathmandu: Eine Mischung aus Benzin und Tempelduft. Wie eine Wiege. Reinlegen und langsam werden. Ich glaub´, man macht hier alles langsam.
Es ist so eine Freude in meinem kleinen Hotel. Alles gemütlich. Vor dem Tor zischt der Verkehr vorbei, die schöne Nepalmusik läuft irgendwo. Und ich bekomme Zimttee und Momos.
Ganz neu gibt es einen Hund. Er ist ca 2 cm groß, 30 Tage alt und heißt Max. Er wurde von belgischen Gästen gestiftet, damit der geistig behinderte Sohn der Hotelfamilie eine Freude hat.
Ich gehe zum SIM-Karte wechseln – 600 Rupi für vier Wochen = 4,20 Euro. Man bekommt mehr für den Euro als früher.
Dann bin ich bei einer bescheidenen Schneiderin im Hintergassenviertel, um mein T-Shirt schmaler nähen zu lassen. Dann bei einer anderen Schneiderin am Weg zum Fluss, um Zwirn zu kaufen. Es ist ein großer Akt, weil sie nur Nepali kann. Aber ich hab vorher ein Buch gekauft: „Basic Nepali für Anfänger“.
Ich bin extra langsam unterwegs. Und hab vor, in diesen drei Wochen zehn Enten oder Gänse frei zu kaufen. Mutig fange ich sofort an. Es ist eine denkwürdige Aktion. Die Hühner, Enten und Gänse stecken in ganz kleinen alten Käfigen – fix und fertig von diesem Leben vor dem drohenden Tod. Der Händler sitzt vorn am Gehsteig wie ein Sultan: Schwer, mit Schnurrbart und unbeweglich.
Ein schmaler Motorradfahrer, sehr freundlich, hilft mir. Ich kann aber für meine zwei Enten und zwei Gänse nur wenig runterhandeln. Ein junger Metzger im Hintergrund schneidet mit blutigem Messer die Schnüre fürs Zusammenbinden der Füße. Dann kommen alle vier in Plastiktaschen. Der Sultan sticht liebevoll Löcher rein, damit ihre Köpfe rausschauen. Ich wundere mich: Er, der reglose Tierhändler, hat so viel Mitgefühl.
Dann laufe ich zum passenden Steilufer. Als ich die Enten und Gänse aus ihren Tüten ziehe, steht ein großer behinderter Junge aus der Armensiedlung neben mir (diese Hütten klemmen zwischen Ufer und Häusern, auf einem Sandstreifen). Er versteht: „Fliegen lassen!“ Und ist so begeistert.
Plötzlich hab ich zehn Neugierige um mich, die Hälfte Kinder. Alle arm, alle kein Englisch, alle strahlen, als sie sehen, wie begeistert die Enten baden und die Gänse froh dahinschwimmen.
Eine Mutter lädt mich zum Tee in ihre Hütte ein. Sie sagt immer wieder: „ Pani!“ = Wasser. Ich denke, wegen des Tees. Aber da kommt ein großer Junge mit etwas Englisch: Sie meint das Monsun-Hochwasser vor zehn Tagen. Es ging bis zur Hüttendecke. „Und die Regierung gibt kein Geld.“ Ich gebe 1000 Rupi und nochmal 1000 = 14 Euro. Auch nicht viel, aber in Kathmandu doch.
Derweil öffnet die Mutter eine kleine Blechkiste vor ihrer Matratze, auf der ich sitze: Drin ist ein weißer Hase, ganz zart.
In dem Moment bringt der Opa eine Ente kopfüber rein. Ich denke: „Das ist meine. Jetzt sind sie in den Fluss gestiegen und haben sie rausgefangen.“ Ich befühle die Ente: Sie ist nass. Ich frage dreimal nach. Und betone: „Fliegen lassen!“ – Aber die Mutter wiegelt ab, der Besitzer der Ente wohnt woanders. Ich bin zu unklar im Kopf, um meine Ente einfach zu schnappen und rauszugehen.
Später träume ich von dem kleinen Opa mit seinem runzeligen Gesicht. Er entschuldigt seinen Diebstahl: Er ist ein Jäger, und drum kann er die Enten nicht schwimmen lassen.
Die Gänse haben wahrscheinlich überlebt, weil sie ein so gutes inneres Warnsystem haben.
Wie ein Lohn für meine halbe Tierrettung finde ich am Abend interessante Straßen und Dinge. Es ist nämlich Drachensteig-Zeit. Die immer so fröhlichen Kinder klettern auf Schuttberge und probieren es. Oder sie stehen auf der höchsten Tempelstufe.
Derweil bieten unten an der Tempelkante die Frauen vom Land ihr Gemüse an. Eine Mutter hat ihren Sohn dabei, zwei Jahre alt. Er sitzt gebeugt über einem Handy, das am Boden liegt, zwischen Petersilie und Karotten. Drauf läuft ein Comic.
Samjhana, die Hotelfrau, sagt am Abend, dass diese Armenhütten am Fluss reichen Leuten gehören, die sie vermieten. Und sie denkt, dass nicht alle Bewohner so arm sind wie es aussieht.
4. Max und Madan
Heute will ich neue Bäche erkunden, für eine sichere Enten-Rettung. Aber dann ruft Sunita aus Pegnitz an (sie und ihr Mann Saurav kommen aus Nepal), ich soll meine Busfahrten nach Pokhara und Lumbini, wo wir vor allem arme Mütter unterstützen, umstellen. Eine andere Route hat weniger Verkehr. Deshalb gehe ich zurück, um es Hotelier Madan zu sagen. Er managed alle Busse für mich. Da kommt ein Drama. Denn ein Sohn der Hotelfamilie, Prashaman (14), ist geistig etwas behindert. Er läuft auch hinkend und schwer. Er tritt aus Versehen rückwärts auf Max. Es kommt so viel Blut raus.
Jan aus Belgien hatte den kleinen Max extra für den Jungen gekauft, weil er mit seiner eigenen behinderten Tochter sah, wie glücklich sie mit einem Golden Retriever war. Jetzt hebt Jan den kleinen Max in einem Tuch hoch. Er ist wie tot. Madan nimmt sein Motorrad und beide fahren zur Tierklinik. Nach 1,5 Stunden kommen sie wieder: Keiner weiß, ob der Mund oder die Nase getroffen sind oder etwas Inneres. Nach einer Stunde müssen sie wieder hin. Abends schicken die Ärzte Bilder von Max in einem kleinen Käfig. Er soll mindestens drei Tage bleiben.
Jeder hatte ihn so gern, weil er so viel Liebe gab. Er lehnte sich immer an den Fuß von Madan und schlief da ein.
Später stirbt er in der Klinik. Die Ärzte bedauern, dass sie keine Durchleuchtungsgeräte haben wie in Europa. Madan und seine Frau Samjhana trauen sich nicht, es den beiden Kindern zu sagen. Bis zum Tihar-Fest anfang November sagen sie immer: „Max ist noch in der Klinik.“ Das Tihar-Lichterfest ehrt auch Tiere, zum Beispiel die Krähe, die Kuh und den Hund. Am Tag des Hundes wollen sie einen neuen Max kaufen.
Für Madan ist der Tod von Max schlimm, sagt er, weil er ihn an den Tod seiner Mutter erinnert. Sie starb an Durchfall, als er ein halbes Jahr alt war. In seinem Dorf gab es keinen Arzt. Sein Vater war beim Militär. Nach altem Heilwissen verweigerten die Nachbarn seiner Mutter das Trinken. Sie verdurstete.
Madan wuchs dann bei Verwandten auf. Sein Dorf liegt in Richtung Pokhara. Dort baute man damals nur Zuckerrohr an. Sein Vater brachte aber ab und zu das gute Gemüse von den Feldern in Kathmandu, vor allem Weißkohl. Der duftete dann durchs ganze Dorf.
Mit 15 Jahren wechselte Madan nach Kathmandu ins College, gleich neben Thamel, dem Touristenviertel. Hinter seiner Schule war eine weite Wiese. Darin heulten Füchse und Frösche quakten. Heute ist alles bebaut.
Wo die Busabfahrtsstelle nach Pokhara ist, war auch Wiese, mit einem einzigen Feldweg. – Nach Bhaktapur (26 km östlich) pendelte ein Elektrobus über die Reisfelder. Thamel hatte nur ein paar Häuser.
„Und jetzt? Überall Häuser. Nepal verliert seine Schönheit. Alles wird zugebaut.“
Madan startete mit seinem Cousin ein kleines Hotel. Zweimal zogen sie um. 1991 meldete er das jetzige Guesthouse an – mit Bankhilfe gekauft. Wenn wieder ein Erdbeben käme ohne Touristen, oder wieder eine Pandemie ohne Gäste, sagt er, dann ist es aus. Er kommt grad so über die Runden.
Seine Frau Samjhana, 45, wuchs im Tiefland zu Indien auf, in der großen Verwaltungsstadt Bharatpur. Mit 18 Jahren kam sie nach Kathmandu. Seitdem war sie viel zu selten daheim – in den letzten Jahren überhaupt nicht.
Sie lacht immer und sagt: „Madan sieht alles negativ, ich positiv. Ich vertraue unseren Göttern. Es wird schon weitergehen.“ Für mich ist sie wie eine Schwester, weil wir so ähnlich denken.
Samjhana bekam jetzt ein neues Zimmer ganz oben auf dem Dach, wo sie mit den Jungs Prashaman und Pratyus (18) schläft. Endlich sind die Zeiten unten im dunklen Hausgang vorbei. Aber Madan hält es dort noch aus. Bereit für unerwartete Gäste, bereit für 4-Uhr-Aufstehen, wenn ein Gast früh zum Jeep muss.
Samjhana´s Problem ist im Augenblick, eine gute Zimmerfrau fürs Hotel zu finden. Die erste war 25 Jahre da und sah die beiden Jungs aufwachsen. Sie besucht sie bis heute. Die nächste Frau putzte nicht eigenständig und fehlte oft. „Es ist so schwer, jemanden zu finden. Jeder will möglichst wenig arbeiten und viel verdienen.“
Jetzt kam ein junger Mann, Kisan Shrestha, 21. Er stammt aus einer Hotelfamilie und macht alles perfekt. Aber er bleibt nur, um eine Wartezeit nach Korea zu überbrücken. Den Sprachtest bestand er schon, in einem halben Jahr geht es los. Er soll beim Bau von Schiffen helfen. „Die ersten drei Jahre darf ich nicht heim, aber dann hab ich Urlaub.“
5. Whiskey und Bali
Das „Souvenir Guesthouse“ hat viele Gäste aus Frankreich, Holland und Belgien, die schon seit Jahrzehnten kommen und wie Eltern zu den beiden Jungs sind. Sie spielen oft mit dem behinderten Prashaman, den sein Vater Madan „unseren Sonnenschein“ nennt. Er ist es auch. Er hat ein so offenes, schönes Gesicht.
Ein Gast ist z. B. Dominique aus den Niederlanden, 82, der ganz wackelig geht – aber statt in einem Altersheim unterzugehen, fliegt er nach Kathmandu. Dort dreht sich zwar keine junge Frau mehr nach ihm um, sagt er, aber das ist ihm egal.
Oder Jan, Ex-Hippie und Motorradfreak, der Ehemann von Colette. Er sammelt Whiskey und hofft auf eine große Wertsteigerung seiner Bottles.
Oder Remi aus der Nähe von Paris, 67, immer lustig aufbrausend wie ein Süditaliener. Er wohnt nicht weit von Guyancourt, der Pegnitzer Partnerstadt bei Versailles. Ihm machte die Corona-Sperre so zu schaffen, dass er danach ganz Frankreich abfuhr, 45 000 Kilometer. Hier in Kathmandu pachtet er das Motorrad von Madan und stürzt sich in die Staus.
Vier Wochen im Jahr lebt er hier und acht Wochen in Bali. D. h. in Bali-Nord mit Familienanschluss. Er braucht das, weil er daheim so allein ist.
Ins „Souvenir Guesthouse“ kommt auch immer Hiltjen aus Amsterdam. Sie ist eine Heilerin, schon in Rente, und bietet Tausend Arten von Therapien. Einmal traf sie in Sibirien einen Schamanen. Kaum saß sie mit ihm zusammen, konnte sie eine ihr unbekannte Sprache fließend sprechen. Später anderswo auch Sanskrit. Nobody nows how.
6. Tempel-Ekstase
Sunita schreibt, dass ich einen bestimmten Tempel besuchen soll. Es ist ja Dashain-Fest, 15 Tage lang, und die Göttin Durga mit ihren bis zu 18 Armen schaffte es einst am 10. Tag (dashain = die Zehn) einen büffelartigen Dämon zu besiegen. Obwohl sehr mütterlich, hat sie große Kriegspower, um das Böse runterzubuttern.
In diesem Tempel ist viel los, sehr interessant. Zwar ist der Hauptteil in Reparatur, aber daneben, etwas tiefergelegt, steht ein alter Durga-Altar. Hier legt man Blüten und Kokosnüsse ab und küsst den Boden. Die Leute stehen Schlange, barfuß.
Ein Mädchen gerät in Ekstase. Sie schüttelt sich am ganzen Körper, was man willentlich kaum schafft. Die Frauen neben ihr lassen es laufen. Dann bekommt sie eine Kerze und eine Kokosnuss in die Hand. Es wird besser.
Außen am Zaun hocken kluge Frauen, die sich nicht anstellen wollen. Sie reichen ihre Opfergaben mit ein bisschen Geld durch. Eine arme Frau spricht drei Meter weiter flüsternd den Priester an, damit er ihr die gebrauchten Kokosnüsse rauswirft.
Vor dem Tempel liegen viele Bettler am Boden, geübt, ohne Bein. Ein kleiner armer Mann läuft als Affengott verkleidet herum. Am Eingang wartet hoch gestapelt Farbenpracht – Blumen und Glitzer in Rot und Gold. Die Opfergaben.
Neben dem Tempel lockt ein Open-Air-Markt unter Plastikplanen, innen einen Kilometer lang. Stände dicht an dicht. Der Lehmboden liegt voller Verpackungsplastik. Jeder rutscht drauf aus. Alles brodelt unter dem kalten LED-Licht. Aber es macht keinem was aus.
Die Standbetreiber sind so kluge Leute – gefesselt an ihren Stand, fast bewegungslos, den ganzen Tag über.
7. Buch vom Everest
Ich schau noch bei dem so klugen und bescheidenen Secondhand-Buchhändler neben meinem Hotel vorbei. Er erzählt, dass er aus einem Dorf neben Pokhara kommt und seit 35 Jahren in Kathmandu ist. Seit 20 Jahren hat er diesen Raum, 3 x 3 m, ein paar Stufen über der Straße. Dicht voll mit Büchern. Er kann nur schwer davon leben, obwohl gegenüber zwei neue Hotels gebaut wurden, mit Luxusgästen bestückt. Aber diesen Leuten wiegen die Bücher zu viel in der Tasche. Und sie schauen lieber ins Handy, sagt er.
Er muss 35 000 Rupi Miete (246 Euro) bezahlen und 10 000 Rupi (70 Euro) für sein Zimmer drei Strassen weiter. Das ist extrem viel, bei dem geringen Verkauf.
Ich nehme zwei Bücher für 6,80 Euro. Das hilft aber auch nicht groß weiter.
Eines der Bücher ist so gut. Ein David Robertson sammelte alle schriftlichen Zeugnisse über George Mallory (1886 – 1924), jenen jungen englischen Bergsteiger, der es fast bis zum Gipfel des Everest schaffte. Seine Briefe, die Briefe von Freunden, alle Reports aus den Alpinzeitschriften.
Mallory stieg schon als Kind über Dächer. Er sah so gut aus, dass jemand wähnte, einen griechischen Gott eintreten zu sehen, als er ihn das erste Mal sah. Er kletterte wie eine Katze. Er überlebte den Einsatz im Ersten Weltkrieg (viele Bergfreunde wurden erschossen). Er heiratete, hoch verliebt. Er brach zweimal mit zum Everest auf. Vor dem dritten Mal sagte er, 38 Jahre alt: „Das ist kein Bergsteigen da oben, das ist Krieg. Ich werde nicht zurückkommen.“ Mit Andrew Irvine, einem jungen Bergsteiger und Genie im Technischen (er verbesserte noch vor Ort auf der tibetischen Seite die gerade erfundenen Sauerstoffflaschen) stieg er schließlich in die letzte Etappe. Unten sahen sie im Fernglas zwei schwarze Punkte in den aufziehenden Wolken verschwinden, hoch oben.
Das war im Juni vor 100 Jahren.
Mallory hinterließ drei kleine Kinder und eine Frau, die depressiv schon mit dem Ende der Ehe gedroht hatte, weil er nie daheim war: 1/2 Jahr Everest, 1/2 Jahr Vorträge bis in die USA, 1/2 Jahr Everest, 1/2 Jahr Vorträge, 1/2 Jahr Everest.
Mein Buchhändler hat das Gesicht von George Mallory, seine guten Augen. Vielleicht wiedergeboren.
8. Mahesh und die Rollertour
Ich laufe mal los, um einen Bach aufzutreiben, der entenfähig ist. Entensicher. Laut Stadtplan gibt es ihn weit im Südwesten. Ich komme an zwei nagelneuen Konditoreien und einem Supermarkt vorbei, mitten in der Einfachheit der alten Viertel. Ich sehe gleich, warum: Weil gegenüber ein nagelneues Hochhaus steht, sehr schön im Mallorca-Stil. Reiche Leute drin. Aber dann taugt der Bach nix. Denn wo meine Karte grüne Wiese zeigt, ist alles bebaut.
Ich komme auf eine große Ringstraße. Am Boden liegt eine Spielkarte Pik Sieben. Ich denke: Das bringt Glück. Und tatsächlich – grad als ich ein bisschen rumfotografiere, hält ein Student mit seinem roten Motorroller, ob er mich wo hinfahren kann.
Es ist Mahesh (sprich Mohesh), ganz schmal und fein. Er studiert Wirtschaft und englische Literatur. Damit kann er später Lehrer werden oder in eine Bank gehen. Er kommt aus der gleichen Stadt wie Saurav, im Tiefland zu Indien. Und fährt heute Nacht mit dem Bus dorthin, wegen des Dashain-Fests. Da kehren alle Nepalesen in ihre Heimatstädte zurück, um von den Eltern das rote Tika-Zeichen auf die Stirn zu bekommen.
Mahesh versteht sofort die Entennot. Ob ich Vogelkundler bin? Er bringt mich zu einem Bach, so sauber, in einem ungeahnten Idyll am Stadtrand. Eine wilde Schlucht liegt dahinter. Jetzt entwickelt er wahre Guide-Fähigkeiten: „Da klettern wir jetzt steil rauf, das ist Abenteuer. Ist doch gut für dich, ein bisschen Abenteuer?“ Runter müssen wir das hinterher auch. Es ist der vom Monsun runtergespülte Hang, wo mal eine Treppe war. Alles durcheinander. Ich packe meine alpinen Fähigkeiten zusammen = Hosenbodentechnik.
Weit oben ragt eine fotogene Hängebrücke in die Luft. Mahesh: „Bist du sowas schon mal gegangen?“ Nicht dass mir schlecht wird drauf, vor lauter Schwanken. Die Schlucht, beschließen wir dann von oben, ist nachts voller wilder Tiere und also nichts für Enten
Danach machen wir einen Ausflug: Durch die Universität, eine Art Gartenstadt. Zu den Tempeln von Kirlitpur. Zu einem Drachensteig-Platz mit viel märchenhaftem Umland. Zu einem abgelegenen Tempel am Fluss. Total enten-geeignet.
Dort hebt Mahesh den Arm, mit einer weiten Bewegung, und sagt: „Das hättest du nicht gedacht, dass du heute so viel siehst?“ Im halben Dunkel rollen wir zurück und im größten Dunkel bringt es Mahesh wunderbarerweise fertig, ohne jede Handbewegung einen Kleinbus zu stoppen, der mich zurück ins Zentrum bringt. Nur 20 Cent, obwohl eine lange Fahrt. Wo ich all meine Ortskenntnis aufs höchste schärfe, um mitzubekommen, wann ich raus muss.
9. Disney am See
Heute der Bus nach Pokhara ist das Tollste, was ich je an Bus gesehen hab. Sessel aus der Business-Class der Flugzeuge drin. Mords viel Platz. Und die 200 km nach Westen sind teils schon vierspurig. Prompt bin ich sehr früh da, um 15 Uhr. Aber dazwischen liegt viel Erdrutsch vom Monsun auf dem neuen Teer. Strommasten stehen schief. Einer ist abgestürzt
Ich nehme vom Busbahnhof ein Taxi in die Stadt. Der Fahrer sagt: „Ich kann grad so leben. Es reicht genau für Wohnen und Essen, nicht mehr. Ich komm so hin. Es ist ein mittelguter Job. Wenn es so bleibt, ist es gut.“
Mein kleines „Tibetan Guesthouse Hotel“ ist so schön mit seinem Palmengarten im Hof. Ich laufe dann am Ufer des Fewa-Sees entlang, wo Remi letzte Woche auch war und schockiert sagte: „Nie wieder Pokhara.“ Denn er erlebte den See vor 20 Jahren, als es noch keine Hotelflut gab und keinen Disneypark.
Am Ufer-Ende rumpele ich in eine Zeremonie – so schön. Direkt am Wasser, gedacht für die Göttin des Sees. Ich gratuliere mir für mein Glück, höre aber später: Dieser Dienst mit Musik ist an jedem Abend. Und seit neuestem auch in Kathmandu beim Verbrennungstempel. Für die Touristen.
Drei Jungs, alles Ehrenamtliche, stehen in super schöner historischer Kleidung da. Mit eleganten Bewegungen werfen sie erst Blüten in den See, dann blasen sie in Muscheln und dann schwenken sie Feuer und Rauch.
Am Ende darf jeder tanzen und es gibt rote Tikas auf die Stirn. Sunita´s Eltern sagen am nächsten Tag, dass die Nepalesen nur wegen des Tika-Segens hingehen.
10. Dashain und Nishchal
Mit dem Stadtbus fahre ich zu Sunita´s Eltern – kostenlos, weil Dashain… In der Gasse vor ihrem Haus rufen zwei Jungs von einem fernen Balkon: „Touris!!“ und flitzten voll speed durch die Flure runter zu mir. Einer hat so kluge, scharfe Augen trotz seiner neun Jahre – bestimmt im vorigen Leben ein buddhistischer Mönch gewesen.
Bei den Eltern ist es sehr schön, einmal wegen des vier Wochen alten Babys Aarav (es bedeutet Shiva) von Rabina (sprich: Rowina), der so guten Frau von Suman. Er ist der Bruder von Sunita. Dann wegen der Vorbereitungen für das große Fest. Alles muss picobello sauber sein und ist ein paar Stunden später genau das Gegenteil.
Auch Sunita´s Schwester Sushma kommt mit ihrem Mann. Sie erwarten ihr erstes Kind Ende Oktober.
Alle Damen tragen besonders schöne Kleider. Und jeder bekommt sein Tika auf die Stirn und etwas Geld. Ich will meins an Arme weitergeben.
Am Abend gehe ich noch einmal zum See, zur Zeremonie. Ich tanze am Ende mutig mit, als dafür aufgefordert wird, was gleich fünf Touristen von den Stühlen ins Tanzgewühl wirft. Ich hab dann vier nepalesische Jungs um mich, die es so freut, dass ich mitmache.
Am Rückweg entlang des Seeufers komme ich im Dunkeln wieder an einem schmalen, bescheidenen Mann vorbei, der am Wiesenrand Karaoke singt: Hinter einem Verstärker und mit Mikrophon. Ich hab ihm schon vorher etwas Dashain-Geld von Sunita´s Vater gegeben und jetzt wieder. Dann stelle ich mich 20 Meter abseits zum Zuhören.
Später sagt er, er hat mich da stehen gespürt. Weil er blind ist. Ich hab das im Dunkeln nicht gesehen. Und das kleine Mädchen neben ihm sagt zu ihm: „Sing ein englisches Lied, weil es ein Tourist ist, der da steht.“ Aber er antwortet: „Touristen hören lieber nepalesische Lieder.“
Ein bisschen weiter bestelle ich jetzt gerösteten Mais bei einem Mann, gleich hinter einer Karaoke-Sängerin. Sie sitzt für sich und singt im hellen Ton chinesischer Mädchen, der für Nepals Sängerinnen typisch ist.
Dann kommt der blinde Sänger mit dem kleinen, immer strahlenden Mädchen heran. Und hebt erst einmal einen Betrunkenen auf, der neben der Sängerin am Boden liegt.
Das Mädchen blickt bittend zu mir, ob ich helfe. Aber der Sänger schafft es. Dann zieht ihn das Mädchen zu mir und sagt ihm auf Nepali, dass ich der Tourist von vorhin bin.
Sie ist seine Nichte, und am Boden gekauert singt seine Schwester. Sie ist auch blind.
Der junge Mann setzt sich hin, um noch einmal für mich zu singen. Er hat so gute, feine Hände. Man müsste einen Film drehen nur über seine Hände. Seine Schwester hat auch die guten Bewegungen der Hände. Sie wechselt die Mikro-Batterien mit so viel Gefühl. Sie tastet die Geldscheine ab, die ihr die Leute viel zu wenig geben, und erkennt sofort den Geldwert. Sie sortiert alle richtig.
Ihr Bruder hat so ein freundlichen Gesicht. Aus diesem Gesicht strömt innere Größe. Ich duck´ mich fast, weil ich mich minder fühle davor. Er fragt mich: „Warum bin ich blind?“ Und sagt: „Gott machte es.“ – Ich sage: „Gott? – Gott ist weit weg, wenn überhaupt.“
Ich erzähle ihm von einer alten taubstummen Frau in Pegnitz, die mir einmal gesagt hat: „Schlimmer als blind zu sein ist es, nichts zu hören.“ Das gibt ihm minimal Trost. „Das hab ich noch nicht gehört.“
Es stellt sich ein älterer Mann dazu, im Dunkeln, einheimisch, vielleicht ein Lehrer. Er sagt zu mir: „Stellen Sie sich mal vor, Sie sehen Ihr ganzes Leben nichts. Geben Sie ihnen was, das sind ehrliche Leute.“
Ich denke beim Heimweg: Nie mehr jammern oder leer fühlen. Froh sein um mein „Alles-tun-können“.
Am nächsten Abend treffe ich wieder diesen blinden jungen Mann Nishchal, 29, und seine Nichte Junu, 12. Sie ist immer bei ihm, damit keiner das Geld aus ihrem Spendenteller nimmt. Nishchal´s blinde Schwester heißt Sami. Sie hat zwei Kinder und wohnt in der Nähe.
Nishchal stammt aus einem Dorf 18 Busstunden westlich. Er musste wegen Geldmangels vier Jahre Schule ausfallen lassen. Jetzt singt er jeden Abend, auch bei Regen, und kann so die Aufnahmegebühr, die Monats- und die Jahresgebühr für sein College bezahlen.
Seine Eltern brachten ihn mit acht Jahren zu einem Augenarzt. Danach konnte er sehen. Aber als er elf Jahre alt war, ohrfeigte ihn ein Lehrer. Er war wieder blind. „Aber ich hab die Welt einmal gesehen.“
Bis zur 10. Klasse half ihm ein Schulbuch in Blindenschrift. Nishchal lernte so in der sehenden Klasse. Danach kam er nur durch Zuhören und Audiogeräte weiter.
Jetzt steht er kurz vor dem Examen als Lehrer. Danach kann er sehende Kinder unterrichten.
Sein gutes Englisch kommt daher, dass er alle vier Wochen mit einem amerikanischen Tourist telefoniert, der einmal hier war. Ich nehme mir vor, ihn genauso oft anzurufen.
Vielleicht gibt es einen Augenarzt bei uns, der ihn einmal untersucht. Vielleicht kann man Nishchal noch einmal operieren.